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Endlich glücklich? Warum wir von künstlichen Erinnerungen profitieren

Ich bin, was ich erlebt habe. Aber ich bin auch, was ich nicht erleben durfte? Während unserer Kindheit sammeln wir prägende Erinnerungen, die uns später Kraft geben in Situationen richtig zu handeln und unser Potential auszunutzen. Haben wir das Gefühl an bestimmten Situationen wiederholt zu scheitern, kann das mit unerfüllten Bedürfnissen aus unserer Kindheit zusammenhängen.

Ähnlich körperlicher Bedürfnisse, wie Hunger und dem Wunsch nach Nähe, müssen auch psychische Bedürfnisse gestillt werden. Erfahren wir als Kind zu wenig Anerkennung oder fühlen uns allein gelassen, belastet uns diese Erfahrung ein Leben lang und beeinflusst auch, wie wir mit bestimmten Situationen umgehen. Eine neue Methode, das sogenannte Reframing von Bedürfnissen, soll helfen im Nachhinein positive Erinnerungen in unserer Psyche zu verankern, die uns so geistig stärken und die Möglichkeit geben, über unsere Defizite hinauszuwachsen.

Praktische Anleitung bietet die App Niku. Mit PlusPerfekt sprach Initiatorin Margit M. Schreier über den Nutzen der Methode, warum sie selbst Niku nicht nutzt und warum es vorteilhaft ist, wenn der Verstand die falschen von den echten Erinnerungen nicht unterscheiden kann.

Körperliche Bedürfnisse stillt man automatisch, während psychische auch mal auf der Strecke bleiben. Warum ist es so wichtig für uns, auch die psychischen Bedürfnisse zu stillen?

Margit M. Schreier: Das Besondere bei psychischen Bedürfnissen ist, dass wir zum Beginn des Lebens auf Zuwendung von Anderen angewiesen sind. Mit dem Beginn unseres Lebens entsteht ein Reifeprozess. Bedürfnisse sind hierarchisch aufgebaut. Ist man hungrig, kann man nicht gut denken und die Konzentration lässt nach. Fühlt man sich nicht geliebt, dann entsteht das Gefühl der Einsamkeit, und man fühlt sich geschwächt. Bekommt man zu wenig Anerkennung, dann schmerzt das seelisch.

Jeder von uns braucht ein paar starke, innere Gesprächspartner. Man nennt sie innere Repräsentanzen. Wirklich Lust auf Selbstverwirklichung hat man dann, wenn man kraftvoll ist. Wir machen den Fehler, davon auszugehen, dass jeder das in sich haben muss. Das ist aber nicht der Fall. Emotional erlebte Bindung zu neuen inneren Repräsentanzen macht stark für jede Aufgabe, sei es familiär oder beruflich.

Laut dem Buch ‚Reframing der Bedürfnisse‘ reicht allein die Vorstellung der Erfüllung der psychischen Bedürfnisse und die stete Visualisierung des Wunschszenarios, damit diese Wirklichkeit wird. Wie funktioniert das?

Margit M. Schreier: Allein die Vorstellung ist zu wenig. Es ist ein Prozess, den man in das eigene Leben integrieren muss. Hierzu ist die App Niku hilfreich. Es geht darum, dass ein Szenario, das ich implantieren will, in die Architektur des inneren Lebens eingepasst wird.
Die App ist so konstruiert, dass der Anwender herausfinden kann, welche Bedürfnisse für ihn ein Thema sind. Hierzu kann er spezielle Szenarien aufbauen, die zu seinen inneren Leben passen.
Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch fühlt, was ihm bisher fehlte und eine genaue Vorstellung davon hat, wie es sich anfühlen würde, wenn die gewünschte Zuwendung da wäre oder in der Vergangenheit dagewesen wäre. Mit der Idee entwickelt sich ein Plot, wie in einer Geschichte. Und wenn wir diese Geschichten lieben, dann werden sie zu einem Teil unseres Lebens.

Unter einer Erinnerung versteht man meist das Wiedererleben eines früheren Ereignisses aus unserer subjektiven Sicht. Indem wir sie uns immer wieder vor Augen führen, wandert die Erinnerung ins Langzeitgedächtnis. Das Ziel der App ist es, durch psychische Neuroimplantate – laienhaft formuliert auch als künstliche Erinnerungen zu verstehen – positive Gefühle herbeizuführen. Wie kann der Kopf diese künstlich kreierten von den echten Erinnerungen unterscheiden?

Margit M. Schreier: Das ist eine schöne Frage, weil das die Vernunft fragt. Erinnerungen unterliegen jedoch nicht der Vernunft. Sie werden sich vermischen, und genau das ist mein Anliegen mit Niku.
Wir nennen es: Würdigung und Ergänzung. Jeder Mensch hat eine Menge an positiven Erinnerungen. Es gibt nichts Schöneres, als reale, gute, positive Erinnerungen. Wir wissen aber auch, wie schmerzhaft es ist, wenn man an irgendeiner Stelle zu kurz gekommen ist. Wenn man nach etwas verlangt, was das Umfeld nicht bieten kann. Das nenne ich Ergänzung. Es handelt sich also um Würdigung und Ergänzung, die zusammenkommen. Die Wertigkeit der beiden Elemente ist gleich und die Verschmelzung notwendig, damit die psychische Basis stabil ist.

tb

Soll unser Gehirn die künstlichen von den echten Erinnerungen unterscheiden, oder soll die Grenze verwischen?

Margit M. Schreier: Es bleibt jedem überlassen, wie er mit Würdigung und Ergänzung umgeht. Manchmal kann eine künstliche oder falsche Erinnerung zu einem inneren Frieden führen, das real Erlebte kann man so besser würdigen. Somit verblasst die Ergänzung im Antlitz der realen Geschichte. Wir erinnern uns sowieso nie an alles.

Es kann auch sein, dass die falsche Erinnerung jemandem richtig „inneres Feuer“ verleiht und er beginnt, Ziele zu realisieren.
Schmerz, Ohnmacht und Einsamkeit sollen sich auflösen. Die App Niku kann Klarheit schaffen und verschüttete Ideen ans Licht bringen. Erreicht man diese Gefühle, dann ist jedem egal, was die psychische Basis hierfür ist. Zumal wir sowieso die Tendenz haben, unsere Erinnerungen im Nachhinein zu verschönern. Darauf bin ich in meinem neuen Buch: „Bedienungsanleitung für Glück und Erfolg“ näher eingegangen. Es kommt in Kürze auf den Markt.

Ist es unbedenklich für den Laien, sich selbst Erinnerungen ‚vorzumachen‘?

Margit M. Schreier: Das Wort „vormachen“ ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass wir diese Idee nicht früher verfolgt und in unser Leben integriert haben. Ein Loser macht sich etwas vor und ist weit weg von der Realität. Kein Mensch will Loser sein.
Niku hat sich das zu Eigen gemacht, weil das „Vormachen“ zu einem genialen Helfer werden kann. Das Entstehen der Erinnerungen basiert auf Wiederholung. Es sind Erinnerungen, die man lieben wird.

Ich habe ein sehr gutes, positives Bild von jedem Menschen. Und ich glaube dran, dass jeder glücklich sein will. Das wer man ist und das wie und wer man sein will, da bestehen oft Diskrepanzen, die zu Stress führen. Für mich ist das interessant, was man sich vormacht. Vielleicht ist das etwas, was man leben will, aber wo man nicht die Prägungen hat, um es zu verwirklichen? Aber vielleicht ist das am Ende doch ein Teil des eigenen Selbst? Konstruiert man eine umgebende Atmosphäre in einem Szenario und verweilt darin, dann wird man sehen, ob das noch wichtig ist. Allerdings besteht die Möglichkeit, das aus- oder umzubauen und zu eigen zu machen.

Nach Registrierung in der App muss man jeweils vier Fragen zu neun psychischen Bedürfnissen beantworten. Dabei wählt man Stichwörter, die für einen selbst von Bedeutung sind und schätzt deren aktuellen Erfüllungsgrad ein. Daraus wird ein Bedürfnis-Profil erstellt, anhand dessen man seine ungestillten Bedürfnisse erkennt. Jetzt ist es daran, künstliche Szenarien zu entwickeln. Sprich, in Eigenregie Kurzgeschichten zu schreiben und mit passenden Bildern zu füllen. Diese Szenarien wiederholt man frühs und abends, 14 Tage lang. Das Ziel ist es, die eigenen Bedürfnisse neu zu strukturieren.

Margit M. Schreier: Mir ist wichtig, dass Menschen den Zusammenhang verstehen, zwischen den Wünschen, die man am Anfang angibt und den Bedürfnissen, die erfüllt werden müssen, damit Wünsche in Erfüllung gehen können. Danach soll der User dem Vorschlag der App folgen oder im Alleingang Szenarien auswählen. Eine weitere Möglichkeit besteht über die Impulsgeber. Das überlasse ich gerne dem User, der viel stöbert und das intuitiv findet.

Ich habe selbst die App ausprobiert und muss sagen, dass ich mich nur schwer darauf einlassen konnte. Primär lag es daran, dass es sich um eine App handelt, die höchst persönliche Daten von mir erhält. Infos, die vielleicht nicht mal meine Familie von mir weiß. Wie wird die Sicherheit dieser Daten gewährleistet? Und was passiert damit, wenn ich die App nicht mehr benutze?

Margit M. Schreier: Datenschutz ist bei Niku natürlich ein großes Thema. Die Daten werden verschlüsselt auf einem Server gespeichert. Sie werden dort von niemandem außer vom Nutzer selbst angerührt und lediglich so lange aufbewahrt, wie dieser damit arbeitet. Wenn die App nicht mehr benutzt wird, werden die Daten gelöscht. Sie können also der App getrost Ihre geheimsten Wünsche und Vorstellungen anvertrauen.

Fernsehen hilft sich in unbekannte Situationen hinein zu denken und sich zu orientieren. Gerade, wenn man selbst eine Situation – zum Beispiel ein Krankheitsfall in der Familie – neu erlebt und nicht weiß, wie man handeln soll, helfen themenverwandte Filme und Sendungen dabei, sich zu orientieren. Man spielt die Situation aus sicherer Entfernung nach. Das nennt sich ein psychologisches Planspiel.

Margit M. Schreier: Damit sind wir schon in der Nähe von Niku. In Filmen findet man Trost, und es ist ein schönes Gefühl zu Ähnlichkeiten von real Erlebtem und Fiktion zu finden. Mediatheken und Streamingdienste helfen dabei. Die Frage ist: stillt das den Schmerz der nicht gestillten Bedürfnisse? Zum Beispiel nach Anerkennung. Wenn jemand nie von seinem Vater hörte: „Ich bin stolz auf Dich“. Das tut weh und in einem Film kann ich mir viele Szenen anschauen, vielleicht werde ich weinen und die Sehnsucht danach spüren.

Aber in der App kann ich selbst eine Situation schaffen, um nicht mehr zu weinen, um das auch zu erleben: dass jemand zu mir sagt:
„Ich bin stolz auf dich“.

Das ist direktiv, gibt Kraft und hat immer etwas mit dem eigenen Leben zu tun. Es ist eben eine Ergänzung. Damit setzt man sich gleichzeitig mit der eigenen Biografie auseinander und baut das innere Leben zu einem vollständigen inneren Bild auf.
Die Niku Methode und der Gebrauch der App findet immer innerhalb der eigenen Biografie statt. Die reale Biografie fühlt sich besser an, wenn man das Gefühl hat, nicht nur loslassen zu müssen, sondern dass die in der eigenen Geschichte entstandenen Wunden tatsächlich heilen können. Ich bin der Meinung, dass man besser dann loslassen kann, wenn man etwas hat, was gut tut.

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Also funktionieren die psychischen Neuroimplantate im Endeffekt ähnlich einem psychologischen Planspiel? Wir erstellen eine Geschichte, die unsere Bedürfnisse erfüllt, denken uns fest hinein und spielen sie durch.

Margit M. Schreier: Niku ist eine durchdachte, runde Methode, die mit keiner bisherigen Technik vergleichbar ist. Einzelne Elemente weisen natürlich Ähnlichkeiten mit bekannten Verfahren auf, sind aber nicht vergleichbar mit der Niku Methode in ihrer ganzen Komplexität. Deshalb haben wir 63 Bedürfnisse und komplementär hierzu die Bereiche Impulse und Vision Board.
Bei unserer Methode ist Selbstverantwortung von entscheidender Bedeutung. Wie Sie zuvor gesagt haben: hier geht es um Dinge, die man vielleicht noch nie jemand erzählt hat, nicht einmal der besten Freundin. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten in der psychischen Entwicklung für die Nutzer der App.

Benutzen Sie selbst die App?

Margit M. Schreier: Intuitiv nutze ich die Methode schon mein ganzes Leben lang. Ich war ja zuvor Unternehmensberaterin und habe die Methode bereits über 20 Jahre angewendet. Damals haben wir mit Kärtchen und Pinnwand gearbeitet. Das war überwiegend mit Geschäftsführern und mit Inhabern von Unternehmen.

Credits: Springer Verlag
Reframing der Bedürfnisse – H. J. Markowitsch & M. M. Schreier

Aus dieser Idee habe ich das Konzept für Niku (Neuro Implants Knowledge Usability) entwickelt. Danach habe ich Professor Hans J. Markowitsch aufgesucht. Er war an Forschungen, in denen es um Falsche Erinnerungen geht, beteiligt. Deshalb hat er meinen Ansatz sofort verstanden. In seinen Forschungen ging es darum, welchen Schaden Falsche Erinnerungen in der Psychotherapie anrichten können.

Fakt ist, dass Erinnerungen, ob reale oder falsche das Wohlbefinden beeinflussen.

Ich selbst hätte die App gerne vor 30 Jahren gehabt. Ich wollte die Methode gern allen Menschen zur Verfügung stellen. Das ist jetzt mit dieser App möglich. Jeder kann schnell erkennen, an welchen Bedürfnissen er arbeiten kann und sollte, um mehr Verantwortung für das eigene Leben und Fortkommen zu übernehmen.

Wann macht es in Ihren Augen Sinn, die App auszuprobieren? Wann würden Sie eher davon abraten?

Margit M. Schreier: Niemand von uns hat eine ideale Entwicklung, weil das gar nicht geht. Es ist schwierig, die Zielgruppe einzugrenzen. Ich habe den Einsatz der Methode bereits in den oberen Geschäftsreihen durchgeführt. Auch bei Menschen wie mir, die eine ganz normale Geschichte haben.

Vor einigen Jahren habe ich eine Nachsorgeeinrichtung für psychisch kranke Menschen restrukturiert und die Methode vorgestellt. Es hat jedem gut getan. Tut es nicht gut, wenn man durstig ist, zu trinken? Genauso verhält es sich mit psychischen Bedürfnissen. Werden diese gestillt, dann beginnt das Leben erst wirklich Spaß zu machen. Genau das will ich ins Rollen bringen.

Zu Margit M. Schreier

Credits: Niku.de | Margit M. Schreier
Niku-Initiatorin: Margit M. Schreier

Als jüngste von drei Geschwistern wuchs Margit M. Schreier in einer Großfamilie in Schlesien auf. Bereits neben ihrer Studien in Sozialarbeit, Psychologie und Restrukturierungs- und Wertsteigerungsmanagement, beschäftigte sie sich intensiv mit Neurowissenschaften. Eine Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruht, wie sie selbst sagt. Die selbstständige Unternehmensberaterin erarbeitete das Konzept zu Niku und initiierte das App-Projekt. Die wissenschaftliche Begründung zur Methode wird im Buch “Reframing der Bedürfnisse” in Zusammenarbeit mit Professor Markowitsch dargestellt. Die App Niku ist sowohl im Appstore als auch im Google Playstore erhältlich.

 

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