Wird man zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, ist die erste Hürde bereits genommen. Damit Frau jetzt im persönlichen Gespräch überzeugt, braucht es den richtigen Business Look. Welche Outfit-Regeln es dringend zu beachten gilt, verrät Modeflüsterin Stephanie Grupe im Interview.
Gibt es Outfitregeln, an die man sich bei einem Vorstellungsgespräch halten sollte?
Die Modeflüsterin: Zu diesem Zweck habe ich als Modeflüsterin die SIEG–Formel entwickelt. Dabei steht S für Struktur, I steht für individuelle Akzente, E steht für Eleganz und G für Gepflegtheit. Wenn diese Kriterien stimmen, stimmt auch das Outfit fürs Vorstellungsgespräch. Dabei lassen sich die einzelnen Kriterien im eigenen Stil umsetzen. Struktur bedeutet, dass das Outfit nicht schlabberig oder formlos sein sollte. Egal, welchen Stil Sie haben – Ihr Körper und Ihre Frisur sollte „ordentlich“ wirken. Das hat mit Struktur zu tun. Bei Kleidung geben Schnitte diese Struktur. Bei den Haaren ist das eine Frisur, die als solche zu erkennen ist. „Out–of–Bed–Hair“, ungekämmte, zottelige Haare sollten man vermeiden.
Alles, was darauf hindeuten könnte, dass Sie die Kontrolle über Ihr Aussehen verloren haben oder es Ihnen egal ist, gehört nicht ins Vorstellungsgespräch. Individuelle Akzente sind ebenfalls wichtig. Denn die Zeit für den Einheitslook im Hosenanzug oder Kostüm, ohne die eigene Persönlichkeit zu zeigen, sind endgültig vorbei.
Allerdings sollten diese Akzente etwas zurückhaltender sein, als man das vielleicht im privaten Bereich ausleben würde. Einzelne sogenannte „Stilgeber“ reichen dazu völlig aus: eine besondere Kette oder Tuch, ein besonderer Schuh, Gürtel oder Brille oder eine interessante Tasche vielleicht. Eleganz heißt, dass schlichte Kleidung mit einem gewissen zeitlosen Qualitätsanspruch immer eine gute Wahl ist. Das Eleganz–Level sollte etwas über Ihrem „normalen“ Niveau liegen. Sie sollten ruhig zeigen, dass Sie sich für das Gespräch Mühe gegeben und sich vorbereitet haben. Das zeigt Ihr Interesse an der ausgeschriebenen Stelle. Und Ihren Respekt vor dem Arbeitgeber in spe. Gepflegtheit ist für mich das A und O des Outfits. Heute kann man – je nach Branche – viel zum Vorstellungsgespräch tragen. Die Regeln haben sich mit der New Economy sehr verschoben.
Aber Eines hat sich nicht geändert: Ein gepflegtes Erscheinungsbild ist Grundvoraussetzung für einen gelungene Auftritt. Dazu gehören gepflegte Nägel, Haare und Haut ebenso wie Kleidung, die fussel–, loch– und fleckenfrei und ordentlich gebügelt ist. Und natürlich saubere Schuhe ohne abgelaufene Absätze.
Wird von jungen und älteren Bewerber*innen gleichermaßen erwartet, dass man diese Regeln kennt?
Modeflüsterin: Aber natürlich. Als Bewerber oder Bewerberin sollte man sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten. Dazu gehört auch, dass man sich mit den Gepflogenheiten hinsichtlich Kleidung und Auftreten vertraut macht. Gerade die jüngere Generation ist ja mit Google und Co. bestens vertraut und kann schnell entsprechende Tipps im Netz recherchieren.
In vielen Unternehmen wird erwartet, dass man bereits beim Vorstellungsgespräch gemäß den Standards des Unternehmens gekleidet ist. Doch was tun, wenn man die Bekleidungsgepflogenheiten dieses Unternehmens gar nicht kennt?
Modeflüsterin: Am besten ist es immer, man kennt die Kleiderordnung im jeweiligen Unternehmen vorab. Dazu reicht häufig ein Blick auf die Webseite, in den Geschäftsbericht oder in die Imagebroschüre eines Unternehmens. Ist man unsicher, dann kann man vor dem Gespräch gerne in der Personalabteilung nachfragen, ob es Tipps für den Dresscode in der Firma gibt. Das hat zudem den Vorteil, dass man mit diesem Vorab–Kontakt weitere Fragen zur Firma klären kann. Zusammen mit der Chance, dass man bereits am Telefon einen ersten, guten Eindruck hinterlässt. Denn dieser kleine Mehraufwand zeigt dem potenziellen Arbeitgeber, dass sich die Bewerberin/der Bewerber gründlich vorbereitet. Ist der Dresscode sehr lässig, dann sollte man allerdings mit dem eigenen Outfit ein Eleganz–Level über diesem „Alltags–Look“ des Betriebs liegen. Nach unten anpassen kann man sich dann immer noch, wenn man den Job erhält. Beispielsweise kann man einen Blazer tragen, den man im Gespräch bei Bedarf ablegt. Sneakers kann man durch edle Leder–Slipper ersetzen. Statt einer ausgewaschenen Jeans wählt man lieber die dunkle Waschung ohne „distressed“ Elemente. Und so weiter.
Wie wichtig ist hochwertige Markenkleidung bei einem
Vorstellungsgespräch? Schaden Billigmarken dem ersten Eindruck oder könnten vielleicht sogar offensichtlich teurere Outfits negativ ausgelegt werden?
Modeflüsterin: Der Bewerber kann sich immer von der Qualität so kleiden, dass es dem Gehalt der Stelle angemessen ist. Dabei kann modisch durchaus schon die nächste Gehaltsstufe nach der ersten Beförderung anvisiert werden – man bewirbt sich dann für eine Karriere im Betrieb und zeigt, dass man Entwicklungspotenzial hat. Viel wichtiger als teure Markenkleidung ist im Vorstellungsgespräch immer der Zustand dieser Kleidung im Sinne des „G“ aus der SIEG–Formel: ein gepflegtes Auftreten ist Pflicht.
Der zweite Teil des Interviews mit Stephanie Grupe widmet sich der Rolle von Mode und Trends bei Bewerbungsgesprächen und erscheint am Sonntag, dem 25.09. auf PlusPerfekt.de
Zu Stephanie Grupe
Stefanie Gruppe ist „Die Modeflüsterin“. Ihr Blog startete im April 2012, sechs Jahre später kam der Modeflüsterin-Club dazu. Seit März 2020 gibt es die Modeflüsterin-Akademie, eine Mode-Lernplattform mit Online-Kursprogramm für Frauen ohne Modelmaße, deren modische Ansprüche an Passform, Qualität und Umweltverträglichkeit sehr hoch sind. Frauen, die wirklich wissen wollen, wie Mode funktioniert und sich nicht mit oberflächlichen Standard-Tipps zufriedengeben.
Die Modeflüsterin ist eine der umfangreichsten, deutschsprachigen Mode-Plattformen und wurde bereits vier Jahre in Folge zu den besten Mode-Webseiten gewählt (Web-Adressbuch Deutschland, 2017, 2018, 2019 und 2020).