Das bewegte uns im Januar 2020!
Was zählt sind die inneren Werte? Das war mal. Jede dritte Frau würde sich für die Schönheit unters OP-Messer legen. Jeder fünfte Deutsche ist unglücklich mit seinem Aussehen. Schon erschreckend was da eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag von SAT.1 an den Tag gebracht hat.
Glücklich werden durch Nacktheit?
Sowohl das Selbstwertgefühl als auch die Lebenszufriedenheit würden sich deutlich verbessern, wenn wir uns durchschnittliche, nackte Körper ansehen und auch selbst mehr Zeit mit unserem nackten Körper verbringen. Soweit das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie.* Ob das tatsächlich so ist, testet ab Montag das neue TV-Format „No Body is perfect“ von SAT.1. Mit dabei sind die Sex- und Beziehungs-Expertin Paula Lambert, Fotografin, Body-Positivity-Aktivistin und Curvy-Model Silvana Denker, Coach und Tanzpädagogin Sandra Wurster und das Große-Größen-Model Daniel Schneider. Alle vier sind während des Body-Positivity-Experiments nackt. Lediglich ein paar Bodypaintings „bedecken“ ihre Körper.
PlusPerfekt sprach mit Silvana über die Dreharbeiten und das Experiment.
1. Silvana, sollten wir alle öfters nackt sein?
Silvana Denker:
Absolut! Ich hab mich noch nie so gut in meinem Körper gefühlt wie in und nach den drei Wochen auf Mykonos.
2. Experiment oder Quotenbringer: Was ist die Idee hinter „No Body is perfect“?
Silvana Denker:
„No Body is Perfect“ ist die deutsche Version der UK Sendung „Naked Beach“, die auf einem Experiment beruht, das besagt, dass Menschen, die mit ihrem Äußeren unzufrieden sind, ihren Körper vielleicht sogar hassen, signifikant ihr Selbstbild verbessern, wenn sie mehrere Tage mit Menschen verbringen, die sich selbst lieben und mit ihrem Körper, der nicht dem sogenannten Schönheitsideal entspricht, im Reinen sind und dabei rund um die Uhr nackt sind.
Ich gebe zu, anfangs war ich selbst skeptisch, nachdem ich mir die englische Version aber angeschaut habe, war ich begeistert. Die Emotionen, Veränderungen, das alles erinnerte mich sehr an meine BodyLove-Kampagne und ich wollte unbedingt dabei sein.
3. Wie kann man seinen Körper lieben lernen, wenn man die ganze Zeit von Kameras beobachtet wird? Immerhin ist da nicht nur der Körper mit dem man sich auseinander setzt, sondern auch der Gedanke, wie man vor der Kamera wirkt.
Silvana Denker:
Ich persönlich hatte tatsächlich überhaupt kein Problem, mich nackt vor der Kamera zu zeigen, es war schnell normal und die TeilnehmerInnen wurden zu nichts gedrängt oder überredet. Jede/r konnte selbst entscheiden, wie weit er oder sie gehen wollte. Das Team, das uns begleitet hat, war unglaublich einfühlsam und hielt sich so weit im Hintergrund, dass man bald vergessen hat, dass Kameras dabei waren.
Auch waren es, im Vergleich zu anderen Formaten, nur wenig Leute am Set und der Umgang miteinander sehr eng und freundschaftlich.
Man wird wirklich überrascht sein, wie sehr sich Menschen in nur vier Tagen verändern können und wie schnell man Kameras vergessen kann.
4. Vergleichsfalle: Wie schwer wird es den Kandidaten fallen, sich nicht mit anderen, vermeintlich schöneren Körpern zu vergleichen?
Silvana Denker:
Zum einen sind es keine Kandidaten, es ist ja keine Spielshow oder dergleichen, sondern Menschen, die ihren Mut zusammengenommen haben, an einem Experiment teilzunehmen, das ihnen wieder mehr Lebensqualität geben kann. Pro Folge waren es drei TeilnehmerInnen, die vorab nicht wussten, was auf sie zukommen würde. Außer uns vier Coaches haben sie ja niemand sonst nackt gesehen, die TeilnehmerInnen waren ja bekleidet. Ziel für die TeilnehmerInnen ist es, sich nach den vier Tagen, an denen wir diverse Gruppen- und Einzelaktivitäten gemacht und viele Gespräche geführt haben, gemeinsam mit uns auszuziehen und ins Meer zu springen.
5. Was reizt dich daran, Teil der Jury zu sein?
Silvana Denker:
Es gibt keine Jury, denn es geht ja nicht darum, etwas oder jemanden zu bewerten. Paula, Sandra, Daniel und ich sind Coaches, die den TeilnehmerInnen mit verschiedenen Aktionen, aber auch in sehr privaten Gesprächen und intensiven Momenten helfen, sich selbst mehr annehmen zu können.
Das ist ja auch im wahren Leben genau das, was ich mache, mit meinen Shootings, Kampagnen und sonstigen Aktionen. Mir wurde schon öfter gesagt, dass meine Fotoshootings eine Art Therapie sind. Ich habe lange gebraucht, mich selbst zu akzeptieren und sogar zu lieben, ich habe viel hinter mir, oft gekämpft und zum Glück gewonnen. Wenn ich heute zurückblicke, bin ich tatsächlich froh, dass ich das alles erlebt habe, denn dadurch bin ich der Mensch, der ich bin und kann meine Erfahrungen nutzen, um anderen auf ihrem Weg zu helfen. Die Sendung hat mir die Möglichkeit gegeben, dies in noch viel größerem Umfang tun zu können und der breiten Masse zu zeigen, wer ich bin, was ich tue und vielleicht auch etwas Mut zu machen.
6. Warst du nervös, bei dem Gedanken nackt im Fernsehen und folglich auch bald nackt in Social Media zu sehen zu sein? Mal ganz abgesehen von den Nachbarn …
Silvana Denker:
Als die Anfrage zur Sendung kam, war mein erster Gedanke „Haha, die sind doch verrückt, ich laufe doch nicht nackt vor der Kamera durch Griechenland“, aber nachdem ich mich mehr mit der Sendung befasst hatte und ich mich schließlich dafür entschied, dabei zu sein, war der Gedanke eigentlich kein Problem. Ich hatte absolut null Schwierigkeiten, mich nackt zu zeigen, auf Social Media gibt es genug Fotos von mir, auf denen ich nichts trage, Nacktheit ist doch etwas ganz natürliches und dafür schäme ich mich nicht. Da ich auf dem Land wohne, kennen mich die meisten Leute sowieso schon und wissen, was ich mache, die meisten kennen meine Fotos und meine Nachbarin saß selbst schon nackt vor meiner Kamera, während wir vom Fernsehen begleitet wurden. Ich bin stolz darauf, Teil dieser Sendung zu sein.
Übrigens glaube ich auch, dass meine ganzen Unterwäsche-Shootings auf dem Times Square oder anderen öffentlichen Plätzen, bei denen ich teilweise auch sehr knappe Wäsche trug, ein gutes Training waren.
7. Was denkst du, wie wird die Serie angenommen?
Silvana Denker:
Da es bislang nichts vergleichbares im deutschen TV gab, ist das vorab schwer zu sagen. Natürlich wünsche ich mir, dass die Sendung gut ankommt, denn es braucht ein solches Format. Es ist absolut echt und zeigt endlich auch mal Körper, wie sie nun mal sind, alle unterschiedlich, mit Rollen, Dellen, Narben und dass wir uns dafür nicht schämen müssen.
8. Es gibt das TV-Format bereits in England. Was glaubst du, werden die deutschen TeilnehmerInnen sich ähnlich verhalten wie die englischen?
Silvana Denker:
Die Sendung wurde ja bereits im September und Oktober gedreht. Ich habe nur eine Folge der englischen Version gesehen, daher habe ich nicht viel zum Vergleichen. Was ich weiß, ist, dass auf jeden Fall einige interessante Veränderungen passiert sind. In wie fern will ich aber an dieser Stelle nicht verraten, sonst verderbe ich ja die Spannung auf die Sendung.
9. Paula Lambert stellte in einem Facebook-Post fest, dass Speck Besserwisser auf den Plan holt. Wie sollten die TeilnehmerInnen am besten mit kritischen oder verletzenden Social-Media-Reaktionen umgehen?
Silvana Denker:
Ja, die lieben Trolle und Shitstorms, ich kenne sie ja leider auch zu genüge und egal, wie gut man ist, egal was man tut, es wird immer Menschen geben, die etwas zu meckern haben oder andere beleidigen müssen, vielleicht, um sich selbst stärker zu fühlen, wer weiß. Man sollte sich bewusst sein, dass solche Kommentare mit Sicherheit kommen werden, denn
Nacktheit polarisiert und die Sendung behandelt ein Thema, das immer für Diskussionsstoff sorgt.
Silvana Denker:
Ich glaube, mit dem Wissen und Bewusstsein, dass es passieren wird, kann man schon deutlich besser damit umgehen und, was ich immer mache, ich lese die Kommentare gar nicht erst, wenn sie auf anderen Seiten geschrieben wurden. Damit schützt man sich am besten.
10. Du wirkst vor und hinter der Kamera sehr selbstbewusst. Ist das ein Poker-Face oder ist es wirklich so?
Silvana Denker:
Viele Jahre habe ich mich selbst und meinen Körper gehasst, ich hätte am liebsten meinen Kopf abschneiden und auf einen anderen Körper setzen können, ich bin in eine Essstörung gerutscht und habe mich sogar selbst verletzt, weil ich mich nicht mehr spüren konnte. Erst mit der Zeit, durch meine Arbeit in der Plus Size Szene, durch die vielen unglaublich tollen Menschen, die ich dadurch kennengelernt habe, Gespräche, Blogs und nicht zuletzt meine eigenen Kampagnen, hat sich das nach und nach zum Glück verändert. Der letzte große Knackpunkt war meine Leber-OP, bei der es Komplikationen gab, ich viel Blut verloren habe und auch hätte sterben können. Mir wurde bewusst, wie schnell das Leben vorbei sein kann und wie viel Zeit und Energie ich mit Selbsthass und negativen Gedanken verschwendet habe.
Also ja, ich bin selbstbewusst, ich glaube auch, dass ich sehr authentisch bin, ganz egal, ob im wahren Leben oder vor der Kamera. Ich bin einfach wie ich bin und verstelle mich nicht. Im Pokern wäre ich vermutlich nicht gut. Und natürlich habe auch ich mal schlechte Tage, das ist ja auch vollkommen normal und wir verändern uns ja auch immer weiter. Obwohl ich damals schon meinen Körper akzeptiert hatte, hat mich der Anblick meiner Narbe, als ich im Krankenhaus nach meiner Leber OP zum ersten Mal vor einem großen Spiegel stand, regelrecht überwältigt und mir liefen die Tränen.
Ich hatte so viele Gedanken im Kopf, kann ich weiter als Model arbeiten, was wird wohl passieren, wenn ich wieder einen Mann kennenlernen, schreckt die Narbe ab, usw. Ich musste erst mal lernen, sie als Teil von mir zu akzeptieren und das wird sicher immer wieder mal passieren.
11. Liebst du deinen Körper?
Silvana Denker:
Ja, ich liebe meinen Körper, ich bin dankbar, dass er so viel mit mir durchgemacht hat, auch Zeiten, in denen ich ihn sehr schlecht behandelt und ihm viel angetan habe. Ich bin dankbar, dass ich noch lebe(n darf) und so viele tolle Dinge erleben kann. Tatsächlich danke ich meinem Körper manchmal wirklich dafür, sage laut danke.
12. Jede dritte Frau würde sich für ihre Schönheit unters OP-Messer legen. Ist das für dich auch eine Option?
Silvana Denker:
Vor knapp 7 Jahren habe ich mir mal Fett absaugen lassen, weil ich der Meinung war, dass meine Oberschenkel zu dick seien. Ich arbeite ja unter anderem als Curvy Model und
mir wurde auch von Kunden und meiner Agentur gesagt, dass meine Oberschenkel zu dick seien – wohl gemerkt als Curvy Model.
Das traf zu der Zeit genau meinen wunden Punkt, durch meine ständigen Gewichtsschwankungen dank meiner Essstörung hing auch die Haut bereits etwas, wodurch sie, je nach Pose, noch kräftiger wirkten. Ich hatte gelesen, dass sich das durch eine Fettabsaugung verbessern könnte, weil sich die Haut beim Verheilen der inneren Wunden wieder mehr zusammenzieht. Das ist bei mir nicht passiert und am Ende hatte ich sogar noch mehr Cellulite als vorher.
Ich schäme mich nicht, es getan zu haben, bereue es auch nicht, denn damals schien es für mich der richtige Weg zu sein, heute würde ich mich nicht mehr unters Messer legen. Zum einen bin ich gut so wie ich bin und wirklich im Reinen mit mir und zum anderen habe ich nach den letzten drei Jahren genug von Krankenhäusern und Operationen …
13. Hast du einen Tipp für Leserinnen und Leser, die damit hadern sich selbst zu akzeptieren?
Silvana Denker:
Man kann zum Beispiel damit anfangen, aufzuhören, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Wir sind alle verschieden und das ist auch gut so. Und wie wäre es, sich im Spiegel anzuschauen und einfach mal die Dinge aufzuzählen, die einem gefallen. Wir neigen ja immer dazu, die Sachen raus zu picken, die wir nicht mögen. Man kann ruhig laut aussprechen, was man an sich schön findet und ganz oft zaubert das schon ein Lächeln aufs Gesicht.
Wir müssen lernen, wieder positiver und netter mit uns selbst umzugehen. Wir haben nur den einen Körper und das Leben ist viel zu kurz, um es mit Selbsthass zu verschwenden.
Das TV-Format „No Body is perfect – Das Nacktexperiment“ ist ab Montag, dem 13. Januar 2020 um 20.15 Uhr in SAT.1 zu sehen.
*) Dr. Keon West / Goldsmiths, University of London (2017): „Naked and Unashamed: Investigations and Applications of the Effects of Naturist Activities on Body Image, Self-Esteem, and Life Satisfaction.“