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Von Kevin Costner bis Jan-Josef Liefers, wenn SIE abdrückt, halten alle still

Ihr Künstlername ist GABO. Tatsächlich heißt sie Gabriele Oestreich. Sie ist Fotografin, hat schon unzählige Prominente porträtiert. Im Zuge von #MySizeRevolution, dem Motto der neuen Curvy Kollektion von Guido Maria Kretchmer für Otto, inszenierte und fotografierte sie Alexis, Cécile, Janina, Jules, Julia, Maren, Mia, Stella, Susanne, Susie, Tati und Verena. Zwölf inspirierende Curvys, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

PlusPerfekt sprach mit Gabo im Haus der Photographie der Deichtorhallen Hamburg. Guido Maria Kretschmer und das Team Soulfully hatten zur Vernissage “Size Revolution” eingeladen.

Gabo, was war die Intention hinter der Fotoserie? Hattest Du eine Aufgabenstellung oder warst Du frei in deiner Interpretation?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ich war Gott sei Dank frei in der Interpretation. Es war natürlich vorgegeben, wer genommen wird. Wobei die eine Hälfte gesetzt war, die andere Hälfte haben wir mit Guido zusammen in der Jury entschieden. Das war das Einzige, das stand, den Rest durfte ich mir ausdenken. Und ich habe gemerkt, dass Fotografie von Plus Size entweder nur knallhart Katalog-fotografiert wird, oder so ein bisschen fetisch-mäßig sexy am Strand. Oder einfach nicht liebevoll fotografiert. Und es fehlt eigentlich, dass die Persönlichkeit der Frauen herausgeholt wird. Das wird immer am Körper festgemacht und nicht an dem Menschen, und da ich ja eine Menschen-Fotografin bin, eine Portrait-Fotografin, bin ich ganz stark auf die Persönlichkeit gegangen, die hinter dem Körperlichen ist. Deswegen habe ich mir ein Konzept gesucht, das sehr pur und erdig ist. Ich habe selbst ein Studio in dem man sich einfach wohlfühlt. Das war wichtig, weil man das auch ausstrahlt. Das Innere übernimmt das quasi.

Sind alle Aufnahmen Schwarz-Weiß?

Gabo | Gabriele Oestreich: Nein, manche haben ganz wenig Farbe. Das ist alles eher auf Alt-Hollywood. Ich bin ein Hollywood-Fan und das hat so ein bisschen dieses ausgedrehte, müde Farben. Und manche sind klassisch Schwarz-Weiß, weil ich das dafür richtig fand.

Wir haben von einigen Models gehört, dass sie ein etwas mulmiges Gefühl hatten, weil man sagt, Du schaffst es, das Innerste nach Aussen zu kehren, dass auf Deinen Fotos die Seele zu sehen ist. Wie machst Du das?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ich versuche das gar nicht groß, das passiert in dem Moment, wo sich der Mensch wohlfühlt und ein nettes Team um sich herum hat. Gutes Essen auf dem Tisch und einen schönen Blick aus dem Fenster. Da sind alle gut drauf und dann kommt das automatisch, dass man sich nicht so artifical (englisch für künstlich) fühlt. Dadurch zeigt man mehr sein Inneres also sonst etwas. Aber irgendein Hollywood-Star hat mal zu mir gesagt: „Oh my God, I don‘t want you to fucking see my soul! I let nobody close that much …“, also da ging das ein bisschen nach hinten los, aber im Endeffekt hat auch er seine Seele heraus gekehrt.

War er mit dem Foto zufrieden oder hat man tatsächlich gesehen, was er nicht zeigen wollte?

Gabo | Gabriele Oestreich: Das ist eine gute Frage. Doch, er hat es zugelassen. Aber es gibt Menschen, die machen dann richtig zu, die wollen nicht, dass ihnen jemand zu nahe kommt. Was ich ja gar nicht tue, ich bin ja keine Seherin oder so. Ich bin dann nur mit der Optik beschäftigt. Aber wenn es zu nahe wird, dann gibt es eben Menschen, die wollen das nicht. Doch das ist mir jetzt lange nicht mehr passiert. Ich glaube das ist 20 Jahre her.

Es gibt Menschen die einem einfach unsympathisch sind. Wenn dir das passiert und Du musst trotzdem ein sympathisches Foto machen, hast Du dann Bedenken während der Arbeit? Siehst Du das dann auf dem Bild?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ich komme eigentlich mit jedem klar. Es gibt selten mal jemanden, an den ich nicht ran komme, wo man sich einfach unsympathisch ist. Das gibt es zwar, aber das habe ich eigentlich immer brechen können. Oder ich weiß es davor und mache es erst gar nicht.  Also wenn ich jetzt Herrn Trump fotografieren müsste, dann würde das nie was werden mit uns. Da bin ich mir ziemlich sicher, dass da kein sympathisches Bild dabei raus kommt. Und dann lasse ich es lieber. Aber das ist wirklich selten passiert. Eigentlich finde ich Zugang zu jedem.

tb

Wenn wir schon bei den Prominenten sind. Du hast Kevin Costner fotografiert, ich beneide Dich. Außerdem Boris Becker, Joachim Gauck – völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Bist Du aufgeregt, wenn Du sie fotografierst?

Gabo | Gabriele Oestreich: Nein, überhaupt nicht. Weil ich von Anfang an daran gewöhnt bin. Seit ich denken kann, habe ich bekannte Persönlichkeiten getroffen. Das sind auch ganz normale Menschen und ich bin völlig entspannt. Also, (sie schmunzelt) ich glaube bei Kevin Costner war ich dann doch etwas rötlich im Gesicht und verlegen, aber das hat er mir auch ganz schnell genommen. Die wahren Größen wissen das abzufangen, weil sie damit aufgewachsen sind, dass Menschen ihnen gegenüber verlegen sind oder feuchte Hände kriegen. Und das hat er mir genommen. Bis auf den Moment wo ich breitbeinig auf dem Bett über ihm stand, ihn fotografierte und sagte: „I‘m afraid to fall down.“ Woraufhin er sagte: „Just tell me in time, so I can open my arms.“ Und da war bei mir natürlich alles aus. Ich habe nicht mehr gewusst, wie hell und dunkel bei der Kamera geht. Ich war so durcheinander. Er war schon speziell.

Schauen wir uns das nächste Bild an.

Gabo | Gabriele Oestreich: Das sind Julia (Inbetweenie Must Haves) und Mia (infatstyle). Das ging ganz schnell. Normalerweise brauche ich auch immer ein bisschen Anlauf bei Fotos. Dazu hatten wir wenig Zeit. Sie waren lange in der Maske, ich war immer mit jemand anderem beschäftigt. Wir hatten nicht die Zeit, uns richtig kennenzulernen, in die Tiefe gehend, aber das hat mit den Mädchen gut hingehauen. Sie waren alle „willige Opfer“ und sind sehr gut auf mich eingegangen, haben mir vertraut. Und Vertrauen ist das Allerwichtigste dabei.

Wie viel Zeit hast Du in der Regel bei einem Portrait-Shooting?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ich möchte natürlich so viel Zeit, wie möglich. Je besser man jemanden kennt, je mehr Zeit man hat, desto besser ist das Resultat. Weil man dann natürlich viel mehr in die Tiefe gehen kann.

Wenn Du merkst, dass jemand aufgeregt ist oder Angst hat …

Gabo | Gabriele Oestreich: Das passiert mir nie. Vor mir hat eigentlich keiner Angst. Jemand der noch nie oder ganz wenig vor der Kamera gestanden hat, ist vielleicht ein wenig irritiert, aber das ist mir ehrlich gesagt kaum passiert.

Gibst Du Anweisungen?

Gabo | Gabriele Oestreich: Nur, wenn es sein muss. Also wenn sie unsicher sind und sich hinsetzen und einfach nur gucken, dann sage ich schon mal: „Schau mal nach unten“ oder „Schau mal nach links“. Manche bieten das an. Andere denken das passiert einfach so, dann sage ich schon mal „Das Licht ist jetzt besser, wenn du runter schaust.“ Oder „Kneif mal die Augen ein bisschen zusammen“, damit sie einen Schlafzimmerblick kriegt. Ich gebe Ratschläge da wo es sein muss. Es gibt viele, die setzen sich einfach hin und fertig.

Es gibt vermeintlich schöne Menschen und Menschen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht attraktiv sind. Was ist für Dich von der Fotografie her spannender?

Gabo | Gabriele Oestreich: Es gibt fotogen und nicht fotogen. Das hat, glaube ich, nichts mit Attraktivität zu tun. Es gibt eben Menschen, die kommen in den Raum und haben so eine Aura, dass alle im Boden versinken und sagen: „Oh, wow!“ Dann willst du sie fotografieren und plötzlich bleibt nichts übrig, weil du diese Aura nicht in ein Bild umsetzen kannst und plötzlich die Nase dick wirkt, die Ohren abstehen und solche Sachen. Schönheit ist nur eine Oberfläche, das Innere muss damit harmonieren. Es gibt kein nicht schön für mich, weil jeder Mensch etwas Schönes hat.

Manche lassen sich gerne fotografieren, sind aber vom Foto enttäuscht. Sind sie dann von sich oder vom Fotografen enttäuscht?

Gabo | Gabriele Oestreich: Falscher Fotograf.

Einfache Antwort. Schauen wir uns das nächste Bild an. Das Zitat bei den Fotos, wurde das vor der Aufnahme ausgesucht?

Gabo | Gabriele Oestreich: Das war danach. Ich habe es teilweise selbst noch gar nicht gelesen. „Ich empfinde mich selber als empathisch, sensibel, weltoffen und auch lustig“, also das stimmt, da hat sie (Anmerkung der Redaktion: Maren Kiss) sich gut erkannt. So habe ich sie auch empfunden. Sie ist einfach toll. Sie hat so eine Ausstrahlung und ist so mit sich im Einklang. Sie denkt nicht: Oh Gott, ich bin zu rund oder zu dick, ich muss abnehmen. Sie ist einfach so wie sie ist. Und das ist toll. Also ich habe viel mehr Komplexe mit meiner Figur als eine von denen. Die waren alle so entspannt und „Ich bin so wie ich bin.“ Das hat mich fasziniert.

Vor dem Shooting werden oft die Rahmenbedingungen festgelegt. Beim Shooting selbst kann das dann durchaus abweichen, denn wie Du schon gesagt hast, stellst Du die Person in den Mittelpunkt. Improvisierst Du dann eher oder bist Du jemand, der sich an den abgesteckten Rahmen hält?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ich mache was ich will. Also ich möchte einfach ein tolles Foto machen, und wenn ich für mich weiß, das ist jetzt echt ein gutes Bild, dann bin ich ganz happy und dann es die Kunden meistens auch. Das ist ja auch eine Schwingung, bei der man sagt: „Das haben wir jetzt.“ Das ist mir am Allerwichtigsten und die Kunden sind immer zufrieden. Ich kann nicht über irgendwelche Ausfälle berichten, wo das nicht harmoniert hätte. Natürlich muss man die Rahmenbedingungen immer an das anpassen, was wirklich passiert. Das wird am Reißbrett ausgedacht und in Wirklichkeit sieht es dann noch einmal ganz anders aus. Und deswegen ist es blöd, wenn man zu sehr nach Layouts arbeiten muss. Da hat mich Otto sehr frei gelassen, so dass ich im Grunde machen konnte, was ich will. Das sind perfekte Umstände. Und in den heiligen Hallen, den Deichtorhallen hier zu enden, ist auch eine Ehre.

Schauen wir uns das nächste Foto an. Was macht die Magie dieses Bildes aus?

Gabo | Gabriele Oestreich: Die Magie des Augenblicks. Die liebe Verena („The Skinny and The Curvy One“) hat bernsteinfarbene Augen, die grün auslaufen und ich kam an diesen Augen nicht vorbei. Weil der Mantel von Guido total toll war, da habe ich selbst auch einen ergattert, wollte ich eigentlich die Silhouette und die Beine und das Ganze darstellen. Aber diese Augen waren so ein Knaller, dass ich da sofort ran gegangen bin. Und in dem Fall war das auch gut, weil man erst dann gesehen hat, dass der Mantel etwas Buntes hat, das ich vorher nicht gesehen hatte.

Gibt es bei Fotografien auch Trends?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ja, es gab mal eine Zeit lang diesen Heroin-Look. Da war ich natürlich total out, weil ich immer lustvolle, lachende, glückliche Frauen fotografiert habe. Gesund und powervoll und auch nicht zu dünn, sondern eben rundum gesund. Da war ich kurzzeitig out. Und somit gibt es auch Trends. Da kommt man aber durch, weil ich ein Klassiker bin. Meine Bilder sind wie die Rolling Stones. Sie haben schon ein paar Jahre auf dem Buckel und 80er, 90er – das spielt alles irgendwo mit rein – aber sie sind trotzdem immer aktuell, weil es eben Klassiker sind. Und weil der Mensch im Vordergrund steht.

Lässt Du Dich gerne fotografieren?

Gabo | Gabriele Oestreich: Nein, nicht mehr. Ich war mal Model. Bei meinem ersten Job, den ich hatte, wurde ich von Otto gebucht. Die haben mich quasi entdeckt. Und dann bin ich gleich auf eine Fotoreise nach Gran Canaria geflogen. Insofern habe ich Otto zu verdanken, dass ich die Schule der Fotografie quasi „am eigenen Leib ertragen“, daraus gelernt und mich entwickelt habe. Und so bin ich zu dem geworden, was ich heute bin. Ein großes Danke an den Otto Versand Hamburg!

Du lässt Dich nicht mehr gerne fotografieren, weil Du Dich vielleicht selbst anders fotografieren würdest?

Gabo | Gabriele Oestreich: Ja. Also der Fotograf muss einen schon ein bisschen lieben, oder sehen „du siehst toll aus“. Wenn der Fotograf einen nicht toll findet, aber ablichten muss, dann gibt er sich auch nicht so Mühe. Und vielen Fotografen ist es egal was sie fotografieren, man hat gut auszusehen als Model. Aber jeder Mensch muss ein bisschen wach geküsst werden, im übertragenen Sinne. Da ist es wichtig, dass man ein gutes Gefühl aufbaut und eine gute Schwingung.

Hast Du drei Tipps für unsere Leserinnen, wie sie sich vor der Kamera präsentieren können, damit sie zufrieden mit den Aufnahmen sind?

Gabo | Gabriele Oestreich: Da gibt es keinen richtigen Tipp. Man muss selbst herumprobieren, mit Selfie-Stick zum Beispiel. Ansonsten immer schön hoch gucken, nicht von unten fotografieren. Fensterlicht ist etwas ganz tolles, das ist eigentlich das schönste Licht. Flaches Licht, nicht irgendwelche Deckenspots von oben, die sind immer sehr unfotogen. Hinlegen ist auch immer gut. Besonders ab einem bestimmten Alter ist die Rückenlage immer sehr fotogen. Das sind so Pille-Palle Tipps, aber es ist schon was dran.

Vielen Dank.

Gabo | Gabriele Oestreich: Sehr gerne.

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