Desginerin Rebekka Ruetz

Rebekka Ruetz Exklusiv: Die Designerin über Nachhaltigkeit & warum wir uns zuhause schick machen sollten

Die österreichische Mode-Designerin Rebekka Ruetz ist für ihre Fair Fashion Kollektionen bekannt. Exklusiv mit PlusPerfekt spricht sie über nachhaltige Fashion-Must-Haves, ein Umdenken in unserem Kaufverhalten und Orientierungsplanen aus dem Zillertal. 

Bequemlichkeit ist im Home Office angesagt, aber immer nur Athleisure ist auch keine Antwort. Muss Mode sich jetzt neu erfinden?

Rebekka Ruetz: Der Athleisure Trend wurde ja gerade durch die Pandemie stark gepusht. Nach nun fast einem Jahr haben aber viele Leute auch genug von Jogging Hose und Schlabberpulli. Wir hören immer wieder von unseren Kunden, die sich schicke Teile kaufen, dass sie diese zu Hause tragen, auch wenn sie alleine sind. Dadurch entstand auch die Idee für unseren Beitrag auf der Fashion Week in Berlin Anfang des Jahres: „dress like everybody´s watching“. Denn auch wenn es sonst keiner sieht, tut es dem Selbstbewusstsein gut, sich auch mal zu Hause schick zu machen.

Du stehst für Slow Fashion und hast kürzlich deine Annual-Kollektion gezeigt. Mit dabei waren Looks mit upcycelten Orientierungsplanen aus dem Zillertal. Wofür nutzt man diese Planen und wie kam es zu der Idee sie in deine Designs zu integrieren?

Rebekka Ruetz: Wir haben aus diesen Planen besondere Einzelstücke gefertigt: Kleider, Westen, etc. Die Idee entstand eher zufällig, als wir mit den Damen über diese Planen gesprochen haben, die nach einer kurzen Zeit oftmals out of date sind und deshalb anderweitig verwendet werden können. Upcycling ist eine tolle Umsetzung des Sustainability Gedanken. Für uns war es auch eine tolle Erfahrung, wie wir dies passend in eine Kollektion integrieren können, die wir in Zukunft weiter verfolgen möchten.

Viele Labels bespielen das Modejahr noch immer mit zehn bis zwölf Kollektionen, obwohl seit Covid-19 so viel über eine dringend nötige Entschleunigung in der Modebranche gesprochen wird. Wird sich da in naher Zukunft etwas ändern?

Rebekka Ruetz: Das ist eine wirklich interessante Frage. Die Marken argumentieren immer, dass die Kunden dies so wollen und die Kunden entgegnen immer, dass dies von den Marken so vorgegeben wird. Am Ende produzieren wir dadurch insgesamt viel zu viel. Und leider werden viele Stücke nur wenige Male getragen und dann entsorgt. Ideen wie Kleiderkreisel oder Second Hand Läden sind da schon ein guter Weg, aber im Großen und Ganzen wäre es sinnvoll, weniger zu kaufen.

Kauft weniger, aber dafür nachhaltig.

Die Kleidung länger zu tragen und neu zu kombinieren, anstatt ständig Neues zu kaufen und zudem auch auf Qualität zu achten, die lange hält, anstatt regelmäßig Billigware vom Großkonzern. Denn man bekommt, wofür man bezahlt.

Du designst nachhaltige Mode, ein Bereich, der im Plus Size Segment deutlich unterrepräsentiert ist. Kannst du dir vorstellen deine Kollektionen auch in Plus Size zu fertigen?

Rebekka Ruetz: Selbstverständlich kann ich mir vorstellen, unser Sortiment auch im Plus Size Segment anzubieten. Wir arbeiten stetig daran, unsere Kollektion in einem nachhaltigen Rahmen Schritt für Schritt zu erweitern und auch unser Größensortiment anzupassen.

Was denkst du, warum wagen sich so wenige Designer an Plus Size Mode?

Rebekka Ruetz: Da bin ich leider etwas überfragt, aber ich glaube, dass viele Designer sich damit einfach zu wenig befassen und das Thema somit nicht auf dem Schirm haben.

Viele Labels schreiben sich mittlerweile Nachhaltigkeit auf die Fahne. Und scheinbar geht die Endverbraucher*in damit konform. Dennoch boomen nach wie vor Fast Fashion Anbieter und Onlineshops wie Shein haben enorme Umsatzzuwächse. Wie siehst du das?

Rebekka Ruetz: Nachhaltig produzieren heißt meist auch teurer produzieren und das heißt wiederum, dass der Preis für den Kunden steigt. Das kann sich nicht jeder leisten oder will es auch nicht. Also müssen wir das Problem von mehreren Seiten angehen. Einerseits müssen wir Wege finden, um trotz nachhaltiger und umweltfreundlicher Produktion akzeptable Preise anbieten zu können und andererseits das Bewusstsein schaffen, dass Kunden Bekleidung wieder als etwas Wertvolles schätzen, anstatt sie als Wegwerfware zu betrachten. Vermutlich wird es aber wieder – wie bei so vielen Bereichen – auf eine gesetzliche Vorgabe hinauslaufen, damit in diesem Bereich etwas passiert (siehe Elektromobilität …).

Was sind Must-Haves, die man über längere Zeit immer wieder neu kombinieren kann?

Rebekka Ruetz: Es gibt sehr viele Klassiker, die man über viele Saisons tragen kann, wie z. B. eine gut geschnittene Lederjacke, die Lieblings-Bluejeans, der klassische schwarze Blazer und das weiße Boyfriendstyle-Hemd …

Welches sind deine persönlichen Fashion-Highlights 2021?

Rebekka Ruetz: Ich freue mich schon sehr auf die neue Farbwelt und die Prints aus unserer FS21 Kollektion.

Wie sieht es bei den Schuhen aus. Hält der Sneaker Hype weiter an, oder ist aus Designersicht ein Ende absehbar?

Rebekka Ruetz: In den letzten Jahren konnten wir mehrere Trends in der Modebranche erleben: einerseits, dass Mode weniger seriös wird. Politiker tragen in der Öffentlichkeit oftmals keine Krawatten mehr. Dies wäre vor 15 Jahren noch undenkbar gewesen. Wenn eine Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten bei offiziellen Anlässen Sneaker trägt, sind sie keine Modeerscheinung mehr, sondern als gesellschaftlich akzeptiert anzusehen. Dies gibt aber auch eine immense Freiheit, und damit wären wir bei einer weiteren Entwicklung: alles ist erlaubt. Es gibt kaum mehr ein No-Go. Gerade durch die Sozialen Medien werden wir mit einer derartigen Vielfalt konfrontiert, dass es keine Dos and Don´ts mehr gibt.

PlusPerfekt Edition Business & Wellbeing 2024 | Cover: Motsi Mabusi
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Bottega Veneta hat sich scheinbar aus Social Media zurückgezogen. Experten vermuten, man möchte damit Begehrlichkeiten wecken. Was meinst du, ist das eher eine Ausnahme oder ein Trend? Wäre das auch für dein Label denkbar? 

Rebekka Ruetz: Große Labels, die bereits über eine große Bekanntheit und ein starkes Vertriebsnetz verfügen, können sich das vielleicht leisten. Als kleines Label wäre dies vermutlich undenkbar. Wir können dort unsere Zielgruppe direkt ansprechen und bekommen auch ein viel direkteres Feedback, was die einzelnen Stücke und Kollektionen angeht. Von daher ist dies für uns sehr hilfreich.

Herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast.

Rebekka Ruetz: Sehr gerne.

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