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Flexibles Fasten: Bestimme selbst, was gut für Dich ist

Es ist Fastenzeit und Dr. Ilona Bürgel macht ein ganz besonderes Selbst-Experiment: Fasten mit Ausnahmen. Besonders in Bezug auf ihre heiß geliebte Schokolade und Alkohol. Wenn das man gut geht!

Die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern halte ich grundsätzlich für eine gute Chance, die eigenen Gewohnheiten mal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass ich Essen und Trinken für ganz andere Dinge nutze, als sie gedacht sind. Zum Beispiel um Stress abzubauen. Genuss im Alltag geht schnell verloren. Wir lesen beim Essen, trinken das erste Glas Wein viel zu schnell, schlingen, statt zu schmecken. Die Konsequenz eines Verzichtes beispielsweise von Zucker, Alkohol, Kaffee oder Fleisch, aber auch Fernsehen wäre, danach maßvoller und vor allem bewusster damit umzugehen.

Verzicht heißt nicht, weniger süß zu sich zu sein

Ich entschied mich für eine Auszeit von Süßigkeiten und Alkohol. Unklar war ich mir darüber, ob dies auch meine heiß geliebte Schokolade umfassen sollte. Ich esse hier nur hochprozentige, die kaum Zucker enthält und die damit sehr viel gesünder ist als z. B. Kuchen. Ich war hin und her gerissen und entschied mich, meine Online Community zu befragen. Ich bekam ein breites Spektrum an Kommentaren von „Schokolade fasten heißt alles außer Schokolade fasten“, über weglassen und sich dann später umso mehr darauf freuen bis auf keinen Fall weglassen, weil Genuss zum Alltag gehört. Ein Kommentar veränderte mein Denken: „Schokolade fasten und Ausnahmen zulassen“ schrieb Martina auf Facebook. Sofort bekam mein Fastenkonzept eine andere Ausrichtung und wurde zu einer ganz anderen Herausforderung.

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Beim Fasten werden wir wie in anderen Lebensbereichen auch getrieben von der Idee, alles richtig zu machen. Alles muss genau nach Regeln, die andere für uns aufstellen, verlaufen. Haben wir wirklich immer überprüft, ob diese zu uns passen? Ob diese die besten Lösungen sind? Natürlich ist nicht alles, was uns gut tut, angenehm oder leicht umzusetzen.

Muss Medizin, die uns hilft, wirklich bitter sein?

Glück und Freude müssen wir uns scheinbar durch Entbehrung und Anstrengung verdienen. Viel schwerer scheint es zu sein, immer gut für sich zu sorgen. Im Augenblick zu entscheiden und auf sich selbst zu vertrauen. Sind wir nicht in unserem Alltag sowieso viel zu hart zu uns?

Wir machen falsche Kompromisse, zu viele Überstunden, quälen uns mit Sportarten, die keine Freude bringen und zählen uns die Kalorien in den Mund? Halten an Bewährtem fest und probieren zu selten etwas anderes. In unserer neuen Welt verändert sich alles nicht nachvollziehbar schnell. Wir können uns auf vieles nicht mehr verlassen. Außer auf uns. Dienlich wären Kreativität statt unangemessener Disziplin, Flexibilität statt starrer Ziele.

Das Experiment: Verzicht mit Schokoladenfreiheit

Ich beschloss ein Experiment: Flexibles Fasten. Ich faste Süßigkeiten und Alkohol und erlaube mir bei Alkohol und Schokolade Ausnahmen. Doch Sorgen machten sich breit. Was wäre, wenn ich aus dem Ausnahmen machen nicht heraus komme und jeden Tag Schokolade esse? Habe ich mich im Griff? Würde ich nicht gegen das bewährte Konzept des Fastens verstoßen? Darf ich das überhaupt? Ist das nicht ein Zeichen von Schwäche? Ist es Schwäche, sich etwas Wohltuendes zu erlauben, statt ein Konzept rigoros durchzuziehen? Ist es Stärke, gegen die eigenen Bedürfnisse zu leben? Tun wir dies nicht insbesondere in unserem Arbeitsalltag viel zu oft. Um dann im Privatleben Ausgleich und Ersatz zu suchen und eben zu viel zu essen, trinken, einzukaufen und am Computer zu spielen? Warum fällt es uns leichter, etwas Unangenehmes oder nicht passendes „auszuhalten“ statt damit aufzuhören? Ich plädiere dafür, dass im rechten Moment schwach zu sein, die neue Stärke ist. Denn wenn wir über den Griff zu einem Stück Schokolade sprechen ist diese „Schwäche“ eben vielleicht eher sinnvolle Selbstfürsorge.

Dann ging es los

Auf dem Weg ins Büro kam ich an meinem Lieblingscafe vorbei. Normalerweise trinke ich hier eine heiße Schokolade.

Kurz blieb ich stehen und wog ab. Sollte ich sie mir gönnen? Dieser Augenblick des bewussten Spürens nach meinen Bedürfnissen zeigte mir: Das ist jetzt nicht wichtig. Mit diesem Gefühl ist es viel leichter, „nein“ zu sagen.

Mein Computer streikt. Seit Tagen läuft irgendetwas nicht. Ich kann an keinem Tag das tun, was ich geplant habe und laufe den Technikern gefühlt stundenlang hinterher. Ich bin total frustriert und bin mir sicher, jetzt hilft nur Schokolade. Doch halt. Ich bin ja in meinem Experiment. Im Alltag würde ich jetzt einige Stücke naschen. Doch naschen, um Stress abzubauen, ist auch eine schlechte Gewohnheit. Ich weiß ich darf es. Und ich lasse es ganz bewusst.

Credits: Dr. Ilona Bürgel
Diplom-Psychologin Dr. Ilona Bürgel zählt zu den führenden Vertretern der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum.

Ich bekomme eine Tafel Schokolade geschenkt. Eine meiner Lieblingssorten. Dunkel mit Salz. Was tun? Ich darf ja etwas davon essen. Doch werde ich auch nur ein oder zwei Stücke essen? Ich öffne die Tafel und schaue sie an, nehme den verlockenden Duft wahr. Ich fühle ein schlechtes Gewissen, schon nach wenigen Tagen eine Ausnahme vom Fasten zu machen. Fast muss ich mich überwinden, ein Stück abzubrechen und in kleine Stücke zu teilen, um sie ganz langsam auf der Zunge zergehen zu lassen. Ich fühle den Konflikt zwischen Genuss und Regel brechen. Ich muss mir gut zureden, mich ganz auf die Freude an der Schokolade zu konzentrieren. Schnell packe ich alles ein und bringe die Schachtel außer Sichtweite. Ich merke, bis zur genussvollen Freiheit mit gutem Gewissen ist noch ein Weg zu gehen.

Das Fazit für flexibles Fasten und generell das ganze Leben

Üben Sie täglich, gut zu sich sein. Trainieren Sie Flexibilität. Wir leben in einer neuen Zeit. Vertrauen Sie auf sich – Sie machen es richtig und Sie sind genau richtig.

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