Tragödie in Rana-Plaza | Foto von Pieter van de Boogert

Elf Jahre Rana-Plaza: Sicherere Textilfabriken, doch die Auslöser der Katastrophe bleiben

Am 24. April jährt sich die schlimmste Tragödie der Modeindustrie zum elften Mal: Beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Dhaka, Bangladesch, kamen damals 1.138 Menschen ums Leben. Artemisa Ljarja, Koordinatorin Fallarbeit der Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland erinnert an diesen traurigen Tag. Sie würdigt die beispiellosen Fortschritte, die bei der Verbesserung der Sicherheit in den Fabriken erzielt wurden, kritisiert aber auch das brutale Vorgehen gegen die Proteste für die Erhöhung des Mindestlohns. „Die in Bangladesch produzierenden Modemarken sorgen immer noch nicht dafür, dass grundlegende Rechte in ihren Lieferketten geachtet werden“, so Artemisa.

Bangladesch Accord: Das Abkommen macht Fabriken sicherer

Die Katastrophe im Jahr 2013 war Anlass für einige der in Bangladesch produzierenden Marken, eine verbindliche Vereinbarung mit internationalen Gewerkschaften zu unterzeichnen, die die Fabriken in Bangladesch nachweislich sicherer gemacht und Massenunfälle verhindert hätten, heißt es heute in einer Pressemitteilung der Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland. Gemeint ist der Bangladesch Accord für Brandschutz und Gebäudesicherheit. Dieses Abkommen gilt bei Marken und Zivilgesellschaft gleichermaßen als Erfolg und werde derzeit auf weitere Länder, unter anderem auf Pakistan, ausgeweitet.

Die Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland gehört zum internationalen Dachnetzwerk Clean Clothes Campaign. Dieses Netzwerk wiederum ist beobachtendes Mitglied des Accord und fordert von Marken wie Levi’s, Ikea, Amazon, Decathlon, Tom Tailor und New Yorker, dem Abkommen beizutreten und die „Trittbrettfahrerschaft, die sie seit über einem Jahrzehnt bei ihrer Produktion in Bangladesch betreiben, damit endlich zu beenden“.

Vier Tote bei Mindestlohnprotesten 2023

Ende letzten Jahres weigerten sich internationale Marken, eine Erhöhung des bangladeschischen Mindestlohns auf die von den Arbeitnehmenden geforderten umgerechnet 195 Euro monatlich zu unterstützen. Der dann höchst undemokratische Lohnprüfungsprozess führte zu einem neuen Mindestlohn von 12.500 Taka (107 Euro) – nur gut die Hälfte dessen, was die Gewerkschaften aufgrund von Berechnungen der Lebenshaltungskosten gefordert hatten, informiert die Kampagne für Saubere Kleidung.

Als die Beschäftigten ihre grundlegenden Rechte wahrnahmen und gegen den Lohnfindungsprozess demonstrierten, verhinderten die Marken die vorhersehbare und vorsätzliche Unterdrückung nicht, sondern stimmten stillschweigend den gewaltsamen Maßnahmen zu, bei denen vier Beschäftigte starben und viele weitere verletzt wurden, so die Kampagne für Saubere Kleidung. Bei den vier Toten handelt es sich um Rasel Howlader, 26 Jahre, Jalal Uddin, 40 Jahre, Anjuara Khatun, 23 Jahre und Imran Hossain, 32 Jahre. Sie produzierten für internationale Marken wie H&M, Zara, C&A, Bestseller und Walmart. „Die Todesfälle in den Lieferketten der Markenhersteller sind Ausdruck eines schwerwiegenden Versagens bei der unternehmerischen Sorgfaltspflicht“, konstatiert Artemisa Ljara.

„Europäisches Lieferkettengesetz“ am Rana Plaza Jahrestag

Am 24. April 2024 wird das Europäische Parlament über die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) abstimmen. Die Richtlinie verpflichtet Konzerne ab 2027 präventiv tätig zu werden und ihre Lieferkette unter anderem auf menschenrechtliche Risiken zu überprüfen und diesen Risiken entgegenzuwirken. Im Falle von zukünftigen Verletzungen ihrer Sorgfaltspflichten sieht das Gesetz auch eine zivilrechtliche Haftung vor. Damit geht das CSDDD auch über das seit 2023 geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinaus. Laut Artemisa würden die jüngsten Ereignisse in Bangladesch zeigen, wie viel Arbeit die globalen Modemarken noch vor sich hätten, um diesen neuen gesetzlichen Sorgfaltspflichten im Bereich Menschenrechte nachzukommen.

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tb