Wut, Angst, Traurigkeit und Co. gehören zum Leben dazu. Ja, es sind unangenehme Emotionen, aber auch wichtige Facetten unserer Menschlichkeit. Als solches sollten wir sie wahrnehmen, statt uns ständig gegen sie zu wehren. Damit seelische Wunden besser heilen können, ist es wichtig, mit diesen unangenehmen Emotionen Frieden zu schließen, weiß Karima Stockmann aus eigener Erfahrung. Als Teenager wird bei ihr Diabetes mellitus – Typ 1 diagnostiziert. Eine große Herausforderung und zugleich der Start in einen bewussten Umgang mit den eigenen Bedürfnissen. Es ist der erste Schritt zu ihrer Lebensmission, die Welt ein Stückchen „lebensfreudiger“ zu machen.
Karima, du bist Buchautorin, Speakerin und Lebensfreude-Stifterin. Die ersten zwei Berufsfelder sind uns bekannt, aber was ist eine Lebensfreude-Stifterin?
Karima Stockmann:
Lebensfreude ist ja „die Freude am Leben“ und die spüre ich vor allem wenn ich einen Glücksmoment erlebe. Für mich bedeutet Lebensfreude, so einen inneren Frieden in mir zu spüren, der aber auch herausfordernde Emotionen und Aspekte des Lebens in die Arme schließt. Da mich mein turbulentes Leben immer wieder in die „Lebensfreude-Schule“ geschickt hat, möchte ich meine Erkenntnisse eben auch an meine Mitmenschen weitergeben und auf unterschiedlichste Arten und Weisen „Lebensfreude stiften“ – mit Büchern, Vorträgen, selbst komponierten Liedern, Übungsvideos, Blogbeiträgen und mehr. Getreu dem Motto von Ciceley Saunders: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Was bedeutet für dich Glück?
Karima Stockmann:
Eine Balance von aktiver Eigenverantwortung und Selbstfürsorge auf der einen und vertrauensvollem Zu- und Loslassen auf der anderen Seite.
Warum sind so viele Menschen unzufrieden, obwohl es ihnen nicht schlecht geht?
Karima Stockmann:
Vielen Menschen geht es nur oberflächlich gut, weil sie im Vergleich zu anderen Schicksalen vermeintlich doch ganz gut dastehen. Doch in der Tiefe vieler Herzen verstecken sich Verletzungen aus der Vergangenheit, unerfüllte Bedürfnisse, offene Fragen, die einem den Schlaf rauben. Leider haben viele von uns vorgelebt bekommen, das unangenehme Emotionen nicht willkommen sind. Und so wird der Druck in uns größer und größer. Doch Wut, Traurigkeit, Scham wollen gefühlt werden, da sie wertvolle Botschafter sind, die uns dabei helfen können, uns gut um selbst zu sorgen oder auch Energie für Veränderungen bereit zu stellen.
Genau deshalb möchte ich mit meinem neuen Mutmachbuch dazu ermutigen, sich liebevoll um solche herausfordernden Emotionen zu kümmern. Wenn wir Frieden mit ihnen schließen, zeigt sich diese Zu-FRIEDEN-heit auch in anderen Bereichen unseres Leben.
Warum sind wir meist nur dann achtsam mit unserer Lebenszeit, wenn uns die Vergänglichkeit vor Augen geführt wird?
Karima Stockmann:
Viele von uns sind so eingenommen von den kleinen und großen Problemen des Lebens, dass wir geradezu verpassen, was links und rechts, oben und unten davon eigentlich noch alles in unserem Leben passiert, worauf es im Leben eigentlich sonst noch ankommt, außer dieses bestimmte Problem endlich loszuwerden.
Wir laufen wie mit einer Taschenlampe durchs Leben und visieren mit unserem Lichtstrahl dabei meist die Schreckgespenster unseres Lebens an.
Verlieren wir plötzlich einen Menschen oder z. B. unsere eigene Gesundheit ist es, als würde jemand das Licht anmachen und uns wachrütteln aus unserem Tunnelblick. Auf einmal können wir sehen, dass unsere Welt nicht nur aus diesem Problem besteht, das aktuell unsere Aufmerksamkeit in Beschlag genommen hat. Wir erkennen, dass da noch so viel mehr ist, was von uns entdeckt und gelebt werden möchte, bevor unser eigenes Licht für immer erlischt. Warum also nicht lieber selbst den Lichtschalter betätigen, heute das eigene Blickfeld aktiv erweitern und das Leben achtsam bestaunen?
Hast du Tipps, wie ich mir Achtsamkeit im Alltag erhalten kann?
Karima Stockmann:
Der einfachste Weg, um achtsamer durchs Leben zu gehen und sich somit empfangsbereit für die Freude zu machen, ist unsere Atmung in Kombination mit unseren Sinnen.
Es macht zum Beispiel einen immensen Unterschied, ob ich schnell, schnell unter die Dusche husche, gedanklich schon an meine ersten Punkte meiner Aufgabenliste denke und wie in Trance Haare und Körper wasche, oder ob ich einen tiefen, bewussten Atemzug beim Öffnen der Duschkabine nehme, die warmen Wassertropfen auf meiner Haut spüre, den Duft des Shampoos wahrnehme und diesen Moment als eine kleine Alltagsoase wahrnehme und genieße.
Achtsame Alltagsaktivitäten kosten uns nicht mehr Zeit und doch gewinnen wir so viel dazu – z. B. stärkere Nerven und Abwehrkräfte. Achtsamkeit lässt uns auch demütiger werden, weil wir die Geschenke der Gegenwart leichter erkennen. Durch solche kleinen Glücksmomente füllen wir auch die leere Schatzkiste der Sehnsucht, wenn uns gerade etwas anderes fehlt.
Egal ob Social Media oder LifeStyle-Magazine: Man wird an jeder Ecke mit Selbstoptimierungs- und Verbesserungsvorschlägen konfrontiert und sieht Tipps wie „Das machen erfolgreiche Menschen jeden Morgen.“ Das vermittelt das Gefühl, dass man sich daran orientieren sollte, wenn man erfolgreich sein will. Wie findet man den optimalen Weg für sich selbst?
Karima Stockmann:
Ich finde es essentiell, nicht blind einem Vorbild hinterher zu jagen, ohne sich zu fragen, was man selbst wirklich vom Leben will. Wir sind oft stark geprägt von den Wertvorstellungen der Gesellschaft, von den Ansichten unserer Eltern, kulturellen Traditionen und vielem mehr. Damit die angestrebte Veränderung einer Gewohnheit am Ende nicht in Frust endet, dürfen wir uns erst einmal fragen, welche Werte wir selber haben. Was entspricht wirklich uns selbst? Und was hält uns bisher zurück, dafür loszugehen?
Nicht jeden erfüllt ein Leben als digitaler Nomade oder 4-fach Mutter gleichermaßen. Und auch wenn es manchmal anders scheint, unsere „Vorbilder“ haben ganz genauso richtig miese Tage, Streitereien mit den Liebsten oder mal einen fiesen Hexenschuss. Lassen wir uns vom Schein nicht blenden.
Auch sollte man bei Verhaltensänderungen nicht nur das Ziel im Auge haben, sondern auch dem Weg bereits ein wenig Zauber einhauchen. Verhaltensweisen, die wir nur auf Grund eines Ziels in der Zukunft angehen, obwohl sie uns im Hier und Jetzt das Leben sichtlich schwer machen, sind vielleicht einfach nicht die, die zu uns persönlich passen. Da gilt es, ehrlich hin zu spüren und den Mut zu haben, die eingeschlagene Richtung auch noch einmal zu verändern.
Doch gerade, wenn wir eh schon so viele Veränderungen in unserem Leben haben, sollten wir auf Verhaltensweisen setzen, die uns bereits im Hier und Jetzt ein wohliges Gefühl der Selbstbestimmtheit und neue Kraft schenken – Zeit in der Natur verbringen, ein Solebad nehmen, berührender Herzensmusik lauschen, ohne ständigem Informationsinput.
Trauen wir uns wieder mehr, wir selbst zu sein. Dazu möchte ich auch mit meinem neu produzierten Mutmach-Lied „Trau Dich“ aufrufen. Ihr findet es auf IGTV und meinem Youtube-Channel.
Karima Stockmann
ist Bestseller-Autorin und Speakerin. In ihren Büchern, Vorträgen und Blogartikeln gibt die Münchnerin praxisnahe Tipps für mehr Zufriedenheit und Lebensfreude.
Ihr neues Buch “Du bist stärker, als du glaubst” ist Ende Januar im Groh-Verlag erschienen. Das interaktive Workbook lädt mit vielen Übungen und Tipps zum Mitmachen, Eintauchen und Umsetzen ein. Das Mitmachbuch kostet 15 Euro und ist beim Groh-Verlag, bei Online-Buchhandlungen und in vielen stationären Buchläden erhältlich. Vielleicht ein willkommener Anlass um nach dem Lockdown mal wieder in aller Ruhe vor Ort in einer Buchhandlung zu stöbern und sich ein neues Leseschätzchen zu gönnen?