Foto: Astrid M. Obert

Einblick in das Leben als Plus Size Model! Ein Interview mit Sandy Dietrich

Sie ist klug, fotogen und extrem wandelbar. Model wollte sie nie werden. Mit ihrem atemberaubend rotem Haar wirkt sie fast wie eine Meerjungfrau. Das passt: Ihr Lieblingsfilm seit Kindertagen ist Arielle. Ihre Leidenschaft das Tauchen.

Sandy Dietrich ist eines der bekanntesten deutschen Plus Size Models. Arbeitet als Schauspielerin, Choreographin und Catwalk-Trainerin. Wenn sie nicht gerade für Shootings, Modenschauen etc. unterwegs ist, genießt sie das Leben und die Natur im Hochschwarzwald.

Wir freuen uns, dass sie sich die Zeit für ein Interview nimmt. “Ungeschminkt” lässt sie uns am Model-Leben teilhaben. Erzählt vom “SOS-Sofort-los-Täschchen”, dass sie immer “in Shape” sein muss, ein Faible für Jumpsuits hat und vieles mehr.

Die Fotos hat Sandy auf unseren Wunsch hin selbst ausgewählt. Eine Selektion ihrer Lieblingsbilder! Aufnahmen, die sie bei ihrer Arbeit zeigen und doch einen ganz privaten Einblick geben.

Liebe Sandy, bitte sag uns ein paar Worte über dich und deinen Werdegang.

Sandy Dietrich: Aufgewachsen bin ich in der Stadt, aber am Wochenende ging es oft auf den Bauernhof meines Opas und das ist sicher auch der Grund, warum ich heute sehr ländlich im Hochschwarzwald lebe. Ich liebe es einfach, draußen in der Natur zu sein.

Mein größtes Hobby ist das Tauchen, es gibt für mich kein schöneres und vollkommeneres Gefühl als unter Wasser zu sein und durch diese einmalige Landschaft zu schweben und die Welt unter Wasser zu bestaunen. Auch das hat sich früh abgezeichnet, denn mein Lieblingsfilm seit ich klein bin, ist Arielle. Und zwar in der Originalvertonung. Mittlerweile kann ich alle Dialoge mitsprechen und natürlich alle Lieder mitsingen, ich könnte also gut die Zweitbesetzung spielen.

Mein Papa hat mir auch sehr früh schwimmen beigebracht und ich war schon mit meinem Eltern jedes Jahr an der Ostsee im Urlaub und oft an den Baggerseen. Ich bin also eine echte Wassernixe. Auch heute noch zieht es mich mehrmals jährlich ans Wasser. Entweder im Winter in weit entfernte und exotische Tauchreviere wie die Malediven, Sri Lanka, Mexico oder Thailand und unter dem Jahr ein paarmal an den Bodensee oder nach Hamburg.

Wurdest du als Model entdeckt oder hast du dich ganz klassisch bei den Model-Agenturen vorgestellt?

Sandy Dietrich: Weder noch. Nach einem Fernsehbericht 2011 über Chrystal Renn habe ich sie gegoogelt weil mich das Thema Plus Size Model interessierte. Bis dato hatte ich davon noch nie gehört. Ich stieß dabei auf einen Modelcontest und es war der letzte Tag der Anmeldefrist und so hab ich aus Spaß eine Mail hingeschickt. Irgendwann kam die Info, dass ich es eine Runde weiter geschafft hatte. Ich wurde als eine von 100 zum Casting geladen und kam noch eine Runde weiter. Als eine von 25 kam ich ins Finale und wurde dann auch noch Dritte. Danach wurde ich von Ingrid Martin in die Agentur MOS aufgenommen. Und nur wenige Wochen später hatte ich mein erstes großes Covershooting für Wella auf der Clivia.

War es für dich ein Traumberuf, den du schon immer ausüben wolltest?

Sandy Dietrich: Als kleines Mädchen wollte ich immer Designerin werden und tolle Mode entwerfen, das Thema Mode begleitet mich also in der Tat schon mein ganzes Leben. Aber wie es meisten ist, kam es anders und so landete ich nach Gymnasium, Ausbildung und Abendstudium als Fachkauffrau für Marketing in der Werbebranche. Auch artverwandt und interessant, aber eben nicht die Fashion-Industrie. Model wollte ich ganz sicher nie werden, ich war ja nicht dünn. Noch nie.

Du bist eines der bekanntesten Plus Size Models in Deutschland. Seit wann bist du als Model tätig?

Sandy Dietrich: Mit 18 wurde ich auf der Straße von einem Fotografen angesprochen, der ein Model für Lichttests suchte. Da hörte ich dann zum ersten Mal, dass ich fotogen und wandelbar sei und ich mir überlegen solle als Model zu arbeiten.

Für mich war das lächerlich, ich war ja nicht wie Heidi und Co. Und so habe ich mich nie in einer Agentur beworben. Aber ich hatte Blut geleckt und so stand ich hobbymäßig immer mal für freie Arbeiten Model. Und seit ich 2011 in die Agentur MOS aufgenommen wurde verdiene ich damit nun auch Geld und modele professionell.

Für welche Labels hast du bereits gearbeitet?

Sandy Dietrich: Oje das waren einige. Ich zähle mal nur die bekanntesten auf: Sallie Sahne by Eva Lutz, Adam Brody Zürich, Ulla Popken by Harald Glööckler, Wella, Pantene Pro V, Sheego, Pala Unikata, Judith Williams, Peter Hahn, Lösdau Pferdesport, Norma, Gerry Weber, Samoon, Go Fashion.

Gelaufen bin ich auf Modenschauen und auf den Fashionweeks in Berlin und London zum Beispiel für Studio Untold, Anna Scholz, Doris Streich, Yoek, No Secret, Oliver Wartowski, Zizzi, Evans, Bombshell Vintage, Popzen Dolls, Jane Watson, eleven 60, Elvi, Curvissa, Studio 8 oder Yours Clothing.

Modeln kann sicherlich sehr anstrengend sein. Wie hältst du dich fit für deinen Beruf?

Sandy Dietrich: Modeln ist sehr anstrengend und erfordert ein hohes Maß an Disziplin. Denn man muss quasi allzeit bereit sein. Das heißt dann auch, dass Du jeden Tag so aussehen musst, dass Du sofort zum Kunden gehen könntest. Die Haare sind immer gewaschen, die Füße und Hände immer manikürt und der Körper enthaart. Die Haut ist gepflegt und das “SOS-Sofort-los-Täschchen” mit schwarzen Pumps und hautfarbener Wäsche, Haarbürste und Grund-Make-Up liegt im Kofferraum.

Dazu reicht es nicht, zu warten bis man einen Job hat um dann mit dem Sport zu beginnen. Ich muss quasi immer in Shape sein, also darf ich erst gar nicht damit aufhören mich zu bewegen und einigermaßen gescheit zu ernähren. Mit einigermaßen meine ich, dass ich natürlich nicht nur Salat futter und Kohlenhydrate weglasse. Würde ich das tun, dann würde ich in ein paar Wochen sicher eine 38 tragen und keine 42/44. Ich könnte zum Beispiel gar nicht ohne Pasta leben, die muss einfach sein. Aber eben nicht jeden Tag.

Ich rauche nicht und trinke so gut wie keinen Alkohol und feiere die Nächte nicht durch. Dazu trinke ich täglich viel Wasser und Tee und schlafe auch mindestens 8 Stunden. Wenn ich früh raus muss, gehe ich eben auch früh ins Bett und wenn ich zu einem Job fliege, dann versuche ich auf der Reise zu schlafen. Yoga und Shaping Übungen kann man auch im Hotel machen. Es gibt immer Zeit und Raum. Ein Plus Size Model zu sein heißt nicht, sich gehen lassen zu können – auch wenn das leider immer noch viele denken.

Kannst du von deiner Arbeit als Model leben oder gehst du noch einem anderen Beruf nach?

Sandy Dietrich: Seit die Branche so boomt und “jedes dicke Mädchen meint, sie sei ein Model” muss man hart um die Jobs kämpfen. Die Designer wollen junge und unverbrauchte Gesichter, aber möglichst nichts dafür bezahlen.

Modenschauen bedeuten heute meistens Promotion und auch hier möchte man immer öfter in Klamotten bezahlen oder gar nicht, schließlich ist es gute Werbung. Nur von Klamotten und guter Werbung kann man eben keine Miete oder ein Auto bezahlen. Leider ist das modeln nicht so gut bezahlt, wie viele meinen. Und auch die Gage eines Models ist steuerpflichtig und man verdient eben keine vierstelligen Summen für einen Auftrag. Also die gibt es schon, aber sehr, sehr, sehr selten. Und so lange immer mehr “Nachwuchs-Models” in den Markt drängen, die kostenlos arbeiten oder für die “Werbung”, werden die Gagen leider auch immer kleiner.

Um also rein von der Arbeit als Model leben zu können, müsste ich mindestens sechs Image-Shootings im Monat haben oder 12 Modenschauen. Das ist unrealistisch. Also nein, ich kann leider nicht ganz davon leben bzw. ich müsste dann meinen Lebensstandard schon sehr einschränken um damit über die Runden zu kommen.

Ist die Modelbranche deiner Meinung nach bei den Plus Size Größen anders?

Sandy Dietrich: Nein. Plus Size Models müssen genauso auf sich und ihren Körper achten, Sport treiben und am Ball bleiben. Und auch der Zickenkrieg ist genauso vorhanden wie anderswo. Aber das finde ich nicht schlimm, wir sind eben Frauen. Natürlich ist man nach außen Bussi-Bussi-best-friends-wir-helfen-und-unterstützen-uns-alle aber hinter den Kulissen wird genauso gelästert und ausgespielt. Da nimmt sich Dünn gegen Dick gar nichts. Jeder ist sich selbst der Nächste – ich denke, das ist genetisch bedingt.

Du warst bei der Fräulein Kurvig Gala für das Catwalktraining und die Choreographie zuständig. Die Teilnehmerinnen der Endrunde waren keine Profi-Models. Gibt es da evtl. Ressentiments auf die du bei der Choreographie eingehen musstest?

Sandy Dietrich: Ja. Es reicht hier nicht, einen Springbrunnen oder ein “Durchkämmen-Element” zu besprechen oder zu sagen wir wechseln zweimal und drehen nach links ab. Das sind böhmische Dörfer für die Kandidatinnen. Bis auf die Siegerin ist noch keines der Mädchen vorher einmal auf einem Laufsteg gestanden und einige sind noch nie in High Heels gelaufen.

Also gibt es erst Basisarbeit. Das bedeutet, ich lerne ihnen wie ein Model zu laufen, zu stehen und zu drehen und auch an der Ausstrahlung muss gearbeitet werden. Wir sind schön und stolz und sexy – nur müssen das die meisten erst lernen. Und dann kommen Choreographie-Elemente hinzu. Aber die Mädchen hatten alle so viel Ehrgeiz, dass es ganz phantastisch geklappt hat. Ich war sehr stolz und zufrieden mit dem Ergebnis.

Kann man dich auch als Choreographin buchen oder ist das für “Fräulein Kurvig” eine Ausnahme?

Sandy Dietrich: Ich bin Model, Schauspielerin, Catwalk-Trainerin und Choreographin – ich mache quasi alles, was mir Spaß macht. Und ja, man kann mich auch als Choreographin buchen, ich bin nicht nur exklusiv für Fräulein Kurvig tätig.

Was sind deine nächsten Ziele?

Sandy Dietrich: Nachdem ich in Berlin und London gelaufen bin, fehlen noch Paris und New York auf meiner Liste. Sehr ehrgeizige Ziele, aber wer weiß… Und was Shootings angeht, so träume ich noch immer von dem Cover eines großen Magazins wie der Cosmo, Vogue, Brigitte oder Für Sie…

Was trägst du am liebsten privat?

Sandy Dietrich: Ganz ehrlich? Jumpsuits. Ich habe mittlerweile sicher schon 20 Stück oder so. Welche für den Sommer oder auch schicke zum ausgehen. Aber auch kuschelige für zu Hause. Nicht sexy, ich weiß – aber so gemütlich.

Sonst bin ich eher der klassisch moderne Typ. Wichtig ist mir, dass ich meine Kleidungsstücke gut kombinieren kann und das sie nicht zu schnell aus der Mode kommen. Zum Shoppen gehe ich in Jeans, Oversizepulli und Boots mit Zopf und ungeschminkt.

Schminkst du dich, wenn du privat unterwegs bist?

Sandy Dietrich: Definiere schminken. Ich würde sagen Nein. Ich schminke mich so selten wie möglich, einfach um meine Haut lange jung und schön zu erhalten.

Aber wie eingangs schon gesagt sollte man immer her zeigbar aussehen. Also eine leicht getönte Tagescreme, Mascara und einen Hauch Rouge trage ich meistens.

Spannend und kurzweilig! Chapeau und herzlichen Dank!
Liebe Sandy, wir wünschen dir weiterhin ganz viel Erfolg! 

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