Isabel García ist Trainer, Business-Coach und Speaker. Aus ihrer Feder stammt das Buch “Lipödem – Ich bin mehr als meine Beine”. Sie kennt die Hochs und Tiefs, machte Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen, die ihr nichts brachten und mit Menschen, die statt aufzumuntern einen noch zusätzlich runter ziehen.
Isabel, du provozierst mit deiner Aussage „Wenn dicke Beine Mode wären, das Scheitern am Schönheitsideal.“
Isabel García:
Ich hab Lipödem, nur sind meine Arme nicht so stark betroffen. Aber trotzdem sind Arme und Beine deutlich fülliger, als der Rest. Zu meinem Buch über Lipödem „Ich bin mehr als meine Beine“ habe ich sehr viel recherchiert. Da kam ein Arzt und meinte, dass viele, die von einem Lipödem betroffen sind deutlich weniger Probleme hätten, wären dicke Beine Mode. Das ist ein ewig alter Satz, den schon früher jemand gesagt hat, als es die ersten Lipödem-Diagnosen gab. Und das stimmt natürlich. Wir befinden uns in einem Kreislauf. Wir haben körperliche Schmerzen, die bedingen seelische. Und die seelischen Schmerzen verschlimmern die körperlichen. Ich glaube, die körperlichen Schmerzen könnten wir viel leichter ertragen, wenn wir wüssten, (lacht) dass wir dafür die geilsten dicken Beine haben, die es gibt. Das ist ein Gedanke, auf dem ich gerne “rumkaue”. Ich zeige mich jetzt immer mehr ohne Strumpfhose. Das ist Absicht. Mit kürzeren Röcken. Auch gern mal mit Minirock. Und ich bekomme immer wieder positive Resonanz, dass jemand das mutig findet. Wo ich mir denke, nein, ich bin einfach ich. Warum ist es mutig, wenn ich als Frau meine Beine zeige?
Als ich ein Foto von mir im Minirock in Social Media gestellt habe, wurde gesagt „Boah, wie mutig.“ Ich war da früher keine Ausnahme, habe auch so gedacht.
Ich wollte positiv denken à la „Ich habe die schönsten Lipödem-Beine der Welt.“
Und jemand sagte „Wieso Lipödem-Beine. Sag doch einfach Beine.“ Und auch mir fiel es schwer, das Kompliment anzunehmen, obwohl ich viele negative Kommentare bekommen habe. Leute, die sagten, sie würden an meiner Stelle keinen kurzen Rock tragen. Doch – Sommer – heiß! Ich soll mich zu Tode schwitzen, nur weil ihr Augenkrebs bekommt, wenn ihr meine Beine seht? Guckt woanders hin! Ich finde, jeder darf schlank sein, jeder darf fülliger sein, jeder darf sein. Da haben wir alle noch einen Weg vor uns. Wir mit uns selbst, aber auch mit anderen.
Es gibt Tage, an denen man nicht mit sich und seinem Spiegelbild zufrieden ist? Hast du Tipps, was man dagegen tun kann?
1. Innerer liebevoller Beobachter
Isabel García:
Ich glaube, dass man ganz lieb zu sich selbst sein darf. Es gibt so ein Bild aus einer körperorientierten Therapieform, bei der man einen inneren, liebevollen Beobachter hat. Und den habe ich im Herzen. Da gucke ich mich im Spiegel an und denke „Holla, die Waldfee. Das gefällt mir gar nicht.“ Und dann sagt mein innerer, liebevoller Beobachter, dass das schon mal okay ist. So darf ich auch mal denken. Es darf auch einen Tag geben, wo es nicht so schön ist. Aber ich packe es auf den Moment: Heute finde ich es nicht so schön. Und nicht allgemein: „Ich bin so hässlich.“ Wir haben alle solche Tage. Das Leben besteht nicht nur aus Sonnenschein.
Was würdet ihr einer Freundin erwidern, wenn sie sagt, „Oh, ich mag mein Spiegelbild heute gar nicht.“ Da würde man auch sagen, ich kann dich verstehen und das ist okay. Ich finde dich schön, aber ich kann nachvollziehen, dass du dich vielleicht grade nicht schön findest. Alles okay. Und so liebevoll wie wir mit jemand anders umgehen, sollten wir das auch mit uns selbst tun.
2. Gute Krabben um sich haben
Gerade bei einer Krankheit ist es wichtig auf das Umfeld zu achten. Ich hab tolle Freunde, die mir schon mein Leben lang gesagt haben, dass sie mich gutaussehend finden. Ich habe sie immer „abgewatscht als Lügner“. Nach dem Motto, das sagt ihr doch nur, weil ihr mich gern habt. Da sollte man mal hinschauen, denn eigentlich ist diese Reaktion eine Frechheit. Die schenken mir etwas und ich „schmeiß“ ihr Geschenk weg. Also auf das Umfeld achten, was sagen die mir, und auch wirklich lernen das zu akzeptieren und anzunehmen.
Ich habe gerade bei meiner Krankheit festgestellt, dass mir viele Selbsthilfegruppen nicht gefallen haben. Ich hatte Selbsthilfegruppen, bei denen ich das Gefühl hatte, sie agieren wie Mexiko-Krabben. Das ist eine Krabbenart in Mexiko, die können die Fischer einfach so in einem Topf einsammeln. Es muss kein Deckel drauf, denn die Krabben kommen nicht raus. Sie wollen zusammen bleiben. Und wenn die Oberen mal raus krabbeln, kommen welche von unten und ziehen sie zurück. Nach dem Motto „Nee, du bleibst hier.“ Sie reagieren wie Lemminge. Wir bleiben zusammen, das Leid hier kennen wir, dann gehen wir halt alle gemeinsam in den Tod.
Ich frag mich manchmal, was für Krabben hab ich um mich herum? Befinde ich mich in einer Selbsthilfegruppe in der alle sagen, „Oh, ist das schmerzhaft. Tun dir die Beine heute auch wieder so weh. Kriegst du auch wieder keine Hose. Oh, man kriegt doch keine Hosen mit dieser Figur, das ist so anstrengend.“ Das sind Krabben die mich runter ziehen.
Es ist völlig okay mal zu sagen, dass es anstrengend ist eine Hose zu bekommen und, dass sie häufig nicht gut aussieht, dass das nervig ist und ich darf auch mal heulen. Ich darf auch mal frustig sein. Aber was für Krabben habe ich um mich herum? Ich hätte gerne die Krabbe, die mir raus hilft. Die sagt: „Ich verstehe deinen Gemütszustand (innerer liebevoller Beobachter), die aber auch sagt, „Komm, ich finde dich schön so wie du bist.“ Oder, „komm lass uns irgendwo spazieren gehen. Lass uns mal gucken, ob wir eine Schneiderin finden, die uns was näht. Oder, oder, oder …“ Lösungen, mich sehen, mir helfen. Auch mal positiv an etwas ran gehen. Das finde ich wichtig.
Bei manchen Krankheiten sind aber sehr viele Krabben, die einen runter ziehen und die auch gar nicht erlauben, dass man positiv ist. Wenn ich mal was Positives in eine Facebook-Gruppe geschrieben habe, dann wurde ich sofort gelöscht, dann durfte ich nichts mehr schreiben. Als ich gesagt hab, die Krankheit ist nicht unbedingt fortschreitend, man kann auch etwas dagegen machen. Schwupps, war ich draußen. Das geht ganz Ratz Fatz.
3. Energieorte suchen und besuchen
Was mir gut hilft ist Energieplätze zu suchen. Das sind manchmal Freunde, manchmal Orte, bei mir ist es mein Hund Pablo, mit dem ich spazieren gehe, mit dem ich im Park sitze, den ich einfach im Arm halte. Es kann alles mögliche sein, aber einfach Plätze, wo ich einfach in der Stille bin. Ich muss nicht meditieren, ich muss nichts besonderes machen. Einfach Orte, an denen ich mich toll fühle, so wie ich bin. Wo es einfach alles keine Rolle spielt. Und an Tagen, an denen es mir nicht so gut geht, da suche ich diese Orte häufiger auf.
- Innerer liebevoller Beobachter
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Gute Krabben um sich haben
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Energieorte suchen und besuchen
Das Interview mit Isabel Garcia führten wir im Rahmen der Edition Business 19/20.
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Isabel García ist Trainerin, Business Coach, Autorin und Rednerin. Die ausgebildete Steuerfachangestellte hat Gesang studiert und war Chorleiterin, als Radiomoderatorin arbeitete sie unter anderem bei R.SH und dem NDR. 2004 gründete sie das Weiterbildungsinstitut Ich Rede.